Abgewohnt: Wann ist eine Wohnung wirklich abgewohnt? Definition, Tipps & Rechte

Abgewohnt: Wann ist eine Wohnung wirklich abgewohnt? Definition, Tipps & Rechte

Stell dir vor, du stehst kurz vor deinem Umzug und fragst dich, ob deine alte Wohnung noch im „normalen“ Zustand ist – oder ob sie schon als abgewohnt gilt. Die große Unsicherheit beginnt meist dann, wenn der Vermieter mehr verlangt, als du für gerecht hältst. Genau dann stellt sich die Frage: Wann ist eine Wohnung eigentlich abgewohnt? Hat alles seine Grenzen — und wo ziehen Gerichte die Linie?

Was bedeutet “abgewohnt” laut Mietrecht?

Im Mietrecht geistern viele Halbwahrheiten herum. „Abgewohnt“ ist kein reines Bauchgefühl, sondern beschreibt einen bestimmten Zustand. Laut österreichischer Rechtsprechung gilt eine Wohnung als abgewohnt, wenn sie durch den ganz normalen Gebrauch Verschleißspuren und Abnutzung zeigt, die den üblichen Zeitraum einer ordentlichen Nutzung entsprechen. Klingt erstmal logisch, aber was bedeutet das konkret?

Stell dir vor, du bleibst sieben Jahre in einer Mietwohnung. Währenddessen hast du gelegentlich ein Bild aufgehängt, Kinder haben gespielt, du selbst bist täglich ein- und ausgegangen. Laut Gesetz ist die allmähliche Abnutzung, also das so genannte „Abwohnen“, kein Schaden. Weder Wände mit kleineren Macken noch ein Parkettboden mit typischen Laufspuren machen eine Wohnung gleich wertlos. Das OGH-Urteil 5 Ob 170/13k (2014) hat genau das klargemacht: Was durch gewöhnliche Benutzung entsteht, ist Sache des Vermieters – und das gilt, solange du nichts mutwillig zerstört hast.

Krass ist: Für viele Vermieter ist das schwer zu schlucken. Sie erwarten oft eine frisch gestrichene Wohnung zurück, obwohl das in Österreich bei einem normalen Mietvertrag meistens nicht vorgesehen ist. Kein Wunder, dass bei knapp 50 % aller Mietrückgaben irgendein Streit um abgewohnte Flächen entbrennt. Und nicht selten landen solche Fälle vor Gericht.

Und wie sieht es bei Möbeln oder Geräten mit? Auch Einbauküchen, Armaturen und sogar Haustüren altern – und hier sind die Fristen entscheidend. Denn nach sechs bis zehn Jahren (je nach Material und Nutzung) ist laut Tabelle des österreichischen Haus- und Grundbesitzerbunds die normale Lebensdauer für viele Einrichtungsgegenstände erreicht. Dann gilt auch die neue Küche als „abgewohnt“ – ein Grund, warum viele Vermieter nach zehn Jahren sowieso renovieren müssen.

BereichNormale Lebensdauer (Jahre)
Wohnungstüren30
Teppichboden8
Parkettboden15
Einbauküche10
Elektrogeräte5-10
Sanitärinstallation15
Innenanstrich5-7

Wichtig dabei: Die Abnutzung muss nachvollziehbar sein. Ein total zerkratzter Boden nach drei Monaten gilt natürlich nicht mehr als „abgewohnt“, sondern als Schaden. Will der Vermieter dafür etwas kassieren, muss er das nachweisen können. Und bei Streitigkeiten lohnt sich oft schon ein Blick auf das Übergabeprotokoll vom Einzug.

Abwohnen oder Schaden: Wo ist der Unterschied?

Manchmal liegt der Teufel im Detail. Ist die abgeplatzte Stelle am Türrahmen wirklich nur „abgewohnt“, oder stammt sie von unvorsichtigem Möbelrücken? Das macht am Ende den Unterschied. Die österreichische Rechtsprechung ist hier relativ klar. Selbst wenn sich ein Vermieter pocht, die Wohnung müsse wieder „wie neu“ sein – das ist gesetzlich ohne Sondervereinbarung Quatsch. Der normale Grad der Abnutzung ist gesetzlich toleriert. Aber alles darüber hinaus? Dafür haftet der Mieter.

Hier ein praktisches Beispiel: Ein neutraler Richter kommt zur Wohnungsbesichtigung. Sieht er kleine Bohrlöcher von Gardinenstangen? Das gilt als gewöhnliche Nutzung. Sind dagegen Wasserflecken in der Ecke, weil nie gelüftet wurde? Das zählt als vermeidbarer Schaden – und den muss der Mieter zahlen. Sogar Brandlöcher im Teppich, abgesprungene Fliesen oder zerborstene Türen fallen nicht mehr unter normales Abwohnen, sondern mutwillige oder grob fahrlässige Beschädigung.

Laut Mietvertrag kann es Ausnahmen geben – zum Beispiel, wenn ausdrücklich im Vertrag steht, dass Wände beim Auszug frisch gestrichen werden müssen. Aber selbst diese Klauseln sind nicht immer gültig. Seit 2018 kippen österreichische Gerichte regelmäßig solche Standardregeln, wenn sie einseitig zu Lasten des Mieters gehen. Macht also Sinn, bei der Schlüsselübergabe genau hinzuschauen – und vielleicht ein paar Fotos als Nachweis zu speichern. Kurz: Das Problem ist nicht das normale Abwohnen, sondern das Überschreiten der üblichen Nutzung.

Irrtümer gibt es zuhauf: Viele glauben, wenn sie eine Wohnung länger als zehn Jahre bewohnen, müssten sie einmal „rundumerneuern“. Nein, das stimmt nicht. Es gibt keine automatische Renovierungspflicht, solange keine Schäden über die normale Nutzung hinaus entstanden sind. Der Begriff „abgewohnt“ ist also mehr Schutz gegen überzogene Forderungen als ein Freifahrtschein fürs Verwüsten.

Rechte und Pflichten beim Auszug: Was muss wirklich gemacht werden?

Rechte und Pflichten beim Auszug: Was muss wirklich gemacht werden?

Beim Auszug flattert oft ein Zettel rein: „Bitte streichen Sie alle Wände weiß!“ Oder: „Alle Dübellöcher müssen verspachtelt werden.“ Muss man dem wirklich nachkommen? Die Antwort wirkt erstmal ernüchternd auf Vermieter: Ohne klare vertragliche Vereinbarung sind Mieter nicht verpflichtet, Schönheitsreparaturen durchzuführen. Der Begriff „abgewohnt“ schützt dich also vor Grundsatzdiskussionen.

Es reicht, die Wohnung besenrein zu übergeben, sprich: sauber, frei von grobem Schmutz, aber nicht wie aus dem Prospekt. Natürlich macht es Sinn, grobe Verschmutzungen oder extrem auffällige Gebrauchsspuren zu beseitigen – etwa, wenn ein Heizkörper durch einen vergessenen Koffer total verbeult ist. Kleine Bohrlöcher in den Wänden oder typische Laufspuren auf dem Boden sind kein Grund für eine Kautionsminderung, solange sie sich im Rahmen halten. Missachtet ein Vermieter diese Regel, kannst du notfalls die Kaution zurückfordern – und das klappt laut Mietervereinigung Wien in 70 % der Fälle außergerichtlich.

Wenn du richtig in Streit gerätst, zählt der schriftliche Beweis. Übergabeprotokolle vom Einzug, Quittungen über eigene Ausgaben und Fotos schützen dich meist besser als das beste Argument. Wichtig ist hierbei: Keine Panik, wenn Dinge alt aussehen. Ein 20 Jahre alter Linoleumboden darf alt aussehen, solange er funktioniert und nicht beschädigt ist.

Ein weiterer Tipp: Übergebe nie Schlüssel, bevor offene Punkte geklärt sind. Unterschreibst du ein Abnahmeprotokoll, in dem du angeblich für alles haftest, bist du am Ende in Beweispflicht. Auch eine Mietrechtsschutzversicherung kann vor bösen Überraschungen bewahren. Frag dich immer: Ist das wirklich dein Schaden – oder einfach das normale Leben?

Praktische Tipps – und wie du bei Streitigkeiten clever bleibst

Wenn der letzte Umzugskarton gepackt ist, liegt der Stress oft erst richtig auf dem Tisch. Gerade wenn es ums Geld geht, werden beide Seiten erfinderisch. Deswegen helfen dir drei goldene Regeln, den Begriff „abgewohnt“ nicht als Schreckgespenst zu erleben:

Im Alltag setzen Vermieter oft Standards durch, die rechtlich gar nicht gedeckt sind. Falls du unsicher bist: Es gibt Beratungsstellen wie die Arbeiterkammer, den Mieterschutzverband oder die Mietervereinigung, die dich kostenlos beraten. Je mehr du über deine Rechte weißt, desto entspannter kannst du reagieren.

Noch ein Erfahrungswert: Auch die Beziehung zwischen Mieter und Vermieter entscheidet über den Ton. Wer beim Auszug alles ordentlich und ehrlich kommuniziert, hat oft weniger Ärger – manchmal hilft ein klärendes Gespräch Wunder, ehe der Streit auf die Spitze getrieben wird.

Und jetzt der wohl wichtigste Punkt: Lass dich nicht verrückt machen. Abgewohnt? Das ist meistens pure Normalität. Aber wehe, du hast mutwillig etwas zerstört – dann wird’s teuer. Ansonsten bleibt eine normale Wohnung nach ein paar Jahren Wohndauer eben eine „Wohnung mit Charme“ – und keine perfekte Ausstellung. Es zählt das echte Leben!

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