Statikprüfung bei Umbauten: So sichern Sie Genehmigung und Finanzierung

Statikprüfung bei Umbauten: So sichern Sie Genehmigung und Finanzierung

Warum Sie bei jedem Umbau eine Statikprüfung brauchen

Ein neues Fenster einbauen, eine Wand herausnehmen, ein Dachgeschoss ausbauen - das klingt nach kleinerem Heimwerken. Aber wenn Sie dabei die Tragstruktur Ihres Hauses berühren, wird es plötzlich rechtlich und finanziell komplex. Das Bauamt verlangt einen Standsicherheitsnachweis, und Ihre Bank lehnt die Finanzierung ab, wenn er fehlt. Kein Wunder: Ein falsch geplanter Umbau kann das ganze Haus gefährden. Und das gilt nicht nur für alte Häuser. Selbst Neubauten aus den 90ern sind oft nicht mehr nach heutigen Normen berechnet.

Was genau ist ein Standsicherheitsnachweis?

Es ist kein allgemeiner Gutachterbericht. Es ist eine detaillierte, rechnerische Dokumentation, die beweist: Auch nach Ihrem Umbau bleibt das Gebäude sicher. Der Nachweis muss zeigen, wie Lasten von Decken, Wänden und Dächern über Träger, Säulen und Fundamente bis in den Boden übertragen werden. Dazu gehören:

  • Berechnungen für alle neuen und veränderten Tragwerke (Balken, Stützen, Wände)
  • Angaben zur Bodenbeschaffenheit und Tragfähigkeit des Fundaments
  • Feuerwiderstandsnachweise für tragende Bauteile
  • Nachweise für Wind-, Schnee- und Erdbebenlasten - je nach Region
  • Konstruktionszeichnungen, Bewehrungspläne und Schalungspläne

Diese Unterlagen müssen in zweifacher Ausfertigung beim Bauamt eingereicht werden. Kein Sketch, kein Foto, keine Schätzung. Nur eine vollständige, fachlich geprüfte Berechnung gilt.

Warum das Bauamt und die Bank unterschiedlich schauen

Das Bauamt prüft, ob Sie die Gesetze einhalten. Die Bank prüft, ob Ihr Haus noch wertvoll ist - und ob Ihr Kredit sicher ist. Beide brauchen denselben Nachweis, aber aus unterschiedlichen Gründen.

Die meisten Landesbauordnungen verlangen den Standsicherheitsnachweis nur bei bestimmten Umbauten. In Berlin, Brandenburg und Hessen ist er bei fast jedem Projekt Pflicht. In anderen Bundesländern wie Bayern oder Nordrhein-Westfalen wird er nur verlangt, wenn das statische System verändert wird - etwa bei Wandöffnungen, Dachausbauten oder Aufstockungen. Aber: Auch wenn das Bauamt es nicht explizit verlangt, können sie die Unterlagen trotzdem an eine externe Prüfstelle weiterleiten. In München wurde bei einem Dachausbau kürzlich die eingereichte Statik von einem externen Büro geprüft - und das verzögerte das Verfahren um sechs Wochen.

Die Banken sind noch strenger. Sie haben klare Grenzwerte:

  • Die Deutsche Kreditbank (DKB) verlangt ab 250.000 Euro Finanzierung einen geprüften Nachweis.
  • Sparkassen verlangen ihn ab 150.000 Euro Umbausumme.
  • Die Commerzbank verlangt ihn bei Dachausbauten oder Aufstockungen ab drei Metern Höhe.
  • KfW verlangt ihn für Förderprogramme wie „Energieeffizient Sanieren“ - und er darf nicht älter als zwei Jahre sein.

Ohne Nachweis: Kein Kredit. Punkt. Selbst wenn Sie bar zahlen, brauchen Sie ihn für die Baugenehmigung. Und ohne Genehmigung: Kein Bau, kein Wertzuwachs, kein Verkauf.

Technische Zeichnung zeigt Lastpfade eines Dachausbaus von Sparren bis zum Fundament.

Was macht die Statik bei Umbauten so schwierig?

Bei Neubauten hat der Statiker die Pläne vom Architekten und baut darauf auf. Bei Umbauten muss er erst mal herausfinden, was überhaupt da ist. Und das ist oft ein Rätsel.

Die meisten Hausbesitzer haben keine originalen Bauunterlagen. Die alten Pläne liegen im Keller, sind verloren oder wurden nie erstellt. Die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) schätzt: Bei 68 Prozent der Gebäude über 40 Jahre sind die ursprünglichen statischen Berechnungen nicht mehr auffindbar.

Dann wird es mühsam: Der Statiker muss Bauteilöffnungen machen, um die Träger, Bewehrung und Fundamente zu vermessen. Oder er nutzt moderne Methoden wie Laser-Scanning oder 3D-Modellierung - aber das kostet extra. In Bayern ist seit November 2024 sogar bei Gebäuden ab 13,5 Meter Höhe die Einreichung eines digitalen Gebäudemodells (BIM) verpflichtend. Das ist der Anfang einer neuen Ära - aber es erhöht den Aufwand.

Und dann gibt es noch die neuen Lasten. Die Eurocodes (DIN EN 1990 bis DIN EN 1999), die seit 2010 verbindlich sind, fordern höhere Schneelasten, mehr Windlasten und in einigen Regionen auch Erdbeben-Nachweise. In Baden-Württemberg müssen Sie seit 2022 bei Umbauten in Erdbebengebieten nachweisen, dass das Haus auch bei einem leichten Beben nicht einstürzt. Früher war das kein Thema. Heute ist es Pflicht.

Wie viel kostet ein Standsicherheitsnachweis?

Es gibt keine Pauschale. Die Kosten hängen von der Komplexität ab.

  • Einfache Innenausbauten (z. B. neue Wand in der Wohnung): 800-1.500 Euro
  • Dachausbau mit neuen Sparren und Decken: 3.500-6.000 Euro
  • Aufstockung oder komplette Dachumgestaltung: 8.000-12.500 Euro

Der Medianwert für Umbauten liegt laut einer Studie der Bundesarchitektenkammer (2024) bei 2.800 Euro. Aber: Bei Bestandsbauten gibt es einen Aufschlag von 20 bis 30 Prozent - wegen der aufwendigen Bestandserfassung. Die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) legt die Grundlage: Die Berechnungen fallen in Leistungsphase 3 und liegen zwischen 1,5 und 3,5 Prozent der Baukosten. Aber bei Altgebäuden wird oft mehr Zeit gebraucht - und das zahlt man.

Und wenn Sie den Nachweis vergessen haben? Dann wird es teuer. Eine Studie der Technischen Universität München (2023) zeigt: Nachbesserungen während der Bauarbeiten kosten im Durchschnitt 18.500 Euro pro Projekt. Besser: Den Statiker vorher hinzuziehen. 78 Prozent der Bauherren, die das taten, bauten termingerecht fertig. Bei den anderen war fast die Hälfte mit Verzögerungen konfrontiert.

Was passiert, wenn Sie ohne Nachweis bauen?

Wenn das Bauamt es merkt: Baustopp. Und dann: Rückbau. Oder: Bußgeld. Bis zu 50.000 Euro sind möglich, je nach Bundesland.

Aber das ist nicht das Schlimmste. Wenn Sie später verkaufen wollen, brauchen Sie den Nachweis. Kein Käufer nimmt ein Haus ohne, besonders wenn es um Dachausbau oder Aufstockung geht. Und wenn ein Schaden eintritt - etwa weil eine Wand nicht mehr trägt - haften Sie als Bauherr. Die Versicherung weigert sich oft zu zahlen, wenn der Nachweis fehlt. Das ist kein theoretisches Risiko. Es passiert regelmäßig.

Digitaler Zwilling eines Hauses mit visualisierten Belastungsdaten und Eurocode-Anforderungen.

Wie Sie den richtigen Statiker finden

Nicht jeder Ingenieur ist ein Statiker. Suchen Sie nach:

  • Staatlich anerkannten Sachverständigen (nach SV-VO)
  • Tragwerksplanern mit Erfahrung in Bestandsbauten
  • Prüfingenieuren, die von Bauämtern akzeptiert werden

Frage nach konkreten Projekten: „Haben Sie schonmal einen Dachausbau bei einem Haus aus den 60ern berechnet?“ Oder: „Wie gehen Sie mit fehlenden Bauunterlagen um?“ Ein guter Statiker sagt nicht: „Ich mache das schon.“ Sondern: „Ich brauche Fotos von den tragenden Wänden, die Bauanträge aus dem Jahr 1980 und einen Grundriss mit Maßen.“

Vermeiden Sie: Architekten, die nur „einfache Statik“ anbieten. Bei Umbauten ist das oft zu wenig. Wenn Sie unsicher sind: Holen Sie sich ein separates Gutachten. Es ist teurer, aber es schützt Sie vor späteren Problemen.

Was Sie jetzt tun können

1. Sammeln Sie alle Unterlagen: Bauanträge, alte Pläne, Fotos von Wänden, die Sie geöffnet haben. Frag beim Bauamt nach - die haben oft Kopien.

2. Holen Sie sich ein Angebot von einem Statiker - noch bevor Sie den Architekten beauftragen. So wissen Sie, was möglich ist und was kostet.

3. Prüfen Sie Ihre Finanzierung: Fragen Sie Ihre Bank, ob sie einen Standsicherheitsnachweis verlangt. Und wenn ja: Welche Version? KfW? DKB? Sparkasse?

4. Planen Sie Zeit ein: Die Prüfung dauert oft 4-8 Wochen. Und wenn das Bauamt extern prüft, wird es noch länger. Kein Stress am Ende - sondern Planung von Anfang an.

Die Zukunft: Digitalisierung und höhere Anforderungen

2025 ist kein Jahr, in dem man noch mit Stift und Papier arbeitet. In Bayern und Nordrhein-Westfalen laufen Pilotprojekte mit digitalen Zwillingen: Ein 3D-Modell des Hauses, das alle Bauteile, Materialien und Belastungen abbildet. Das macht die Prüfung schneller und genauer. Bis 2027 werden laut Bauzeitung 60 Prozent aller Standsicherheitsnachweise digital erstellt - und die Prüfzeit sinkt von acht auf drei Wochen.

Aber die Anforderungen steigen auch. Die DGSD hat 2024 neue Schneelast-Werte veröffentlicht: In vielen Regionen sind sie 15-25 Prozent höher als früher. Das bedeutet: Ein Dach, das vor 20 Jahren ausreichte, ist heute zu schwach. Auch in Regionen, die früher nie Schnee hatten, müssen Sie jetzt nachrechnen. Der Klimawandel verändert die Statik - und Sie müssen mitziehen.