Beim Renovieren im Eigenheim denkst du wahrscheinlich zuerst an Farbe, neue Fußböden oder die neue Küchenzeile. Aber was passiert, wenn ein Ziegel vom Dachboden fällt, oder du den Staub von 50 Jahre altem Asbest einatmest? Die meisten Heimwerker unterschätzen die Gefahren - und das mit fatalen Folgen. Laut der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) führen Sicherheitsausrüstung und deren falsche oder fehlende Nutzung zu 68 % aller Unfälle bei Eigenleistungen. Das ist kein kleiner Fehler. Das ist lebensgefährlich.
Warum Sicherheitsausrüstung bei Renovierungen nicht optional ist
Du renovierst dein Wohnhaus, weil du es liebst. Aber Liebe reicht nicht, wenn es um deine Gesundheit geht. Im Gegensatz zu Neubauten, wo die Hauptgefahren Stürze oder herabfallende Werkzeuge sind, lauern bei Renovierungen im Altbau unsichtbare Killer: Asbest, bleihaltige Farben, giftige Dämpfe aus alten Isolierungen und feinster Holzstaub, der sich in deinen Lungen festsetzt. Die DGUV-Vorschrift „Bauarbeiten“ aus dem Jahr 2022 macht es klar: Wer Renovierungen durchführt - auch als Privatperson - trägt die Verantwortung für die Sicherheit aller, die auf der Baustelle sind. Das gilt für dich, deine Kinder, deine Freunde, die dir helfen. Keine Ausnahme.Ein Beispiel aus Graz: Ein 52-jähriger Hausbesitzer hat im Winter 2023 die alte Dachisolierung selbst entfernt, ohne Maske. Drei Monate später wurde bei ihm eine Lungenfibrose diagnostiziert. Der Arzt sagte: „Das ist typisch für Asbestexposition.“ Er hatte keine Ahnung, dass sein Haus aus den 1960ern Asbest enthielt. Und er war nicht der Einzige. Der Österreichische Versicherungsverband meldete 2022, dass 42 % aller Wohnhausunfälle während Renovierungen auf fehlende oder unzureichende Schutzausrüstung zurückzuführen sind.
Die fünf unverzichtbaren Elemente deiner Sicherheitsausrüstung
Du brauchst nicht alles, was der Markt anbietet. Aber diese fünf Dinge sind nicht verhandelbar:- Schutzhelm: Nicht nur für Arbeiten auf Leitern oder am Dach. Selbst im Keller kann ein lose hängendes Rohr, ein herunterfallender Nagel oder ein abgebrochener Ziegel dir den Kopf brechen. Ein Helm kostet 25 Euro. Ein Hirn ist unbezahlbar.
- Sicherheitsschuhe mit Stahlkappe und rutschfester Sohle: 78 % der Heimwerker in einer Umfrage vom März 2023 nannten sie die nützlichste Ausrüstung. Warum? Weil du auf Holzspänen, Schrauben, Nassflächen und lose Kabel stehst. Gummisohlen von Turnschuhen halten das nicht aus. Arbeitsschuhe nach EN ISO 20345 schützen vor Stichen, Druck und Rutschgefahren - und das über Stunden hinweg.
- FFP3-Maske: Keine Küchenmaske. Keine Staubmaske aus dem Baumarkt. Du brauchst eine FFP3-Maske, wenn du bohrst, schleifst, sägst oder alte Putz- oder Isolierschichten entfernst. FFP3 filtert 99 % der feinsten Partikel - inklusive Asbestfasern, die kleiner als 3 Mikrometer sind. Wer das nicht trägt, atmet Krebsrisiko ein. Ein Labortest in Wien zeigte: Bei nur zwei Stunden Arbeiten ohne Maske in einem Altbau mit Asbest lag die Luftbelastung über dem zulässigen Grenzwert um das 17-Fache.
- Gehörschutz: Bohrer, Stemmer, Sägen - das sind keine leisen Geräte. Langfristige Lärmbelastung führt zu dauerhaften Hörschäden. Du merkst es nicht sofort. Aber nach fünf Jahren Renovierungen hast du vielleicht nur noch 60 % Hörvermögen. Einfache Ohrstöpsel reichen nicht. Nutze Halbmasken mit Lärmdämpfung von mindestens 25 dB.
- Schutzhandschuhe: Nicht die dicken Baumarkt-Handschuhe, die du zum Rasenmähen benutzt. Du brauchst Handschuhe, die vor Schnitten, Chemikalien und scharfen Kanten schützen. Bei der Entfernung von alten Fliesen oder Metallleisten ist das entscheidend. Leder oder aramidbeschichtete Stoffe sind ideal.
Was du nicht vergessen darfst: Die unsichtbaren Gefahren
Die Ausrüstung ist nur die halbe Miete. Was du vorher tust, ist noch wichtiger.Bevor du auch nur einen Nagel in die Wand schlägst, musst du wissen, was in den Wänden steckt. Altbauten bis 1990 enthalten oft Asbest in Dämmplatten, Fußbodenklebern oder Dachziegeln. Bleifarben sind bis 1980 üblich. Formaldehyd in alten Spanplatten kann bei Erwärmung giftige Dämpfe freisetzen. Wie findest du das heraus? Du holst dir einen Fachmann. Ein Laboranalyse kostet 180 bis 350 Euro - aber du sparst dir damit ein Leben lang Arztbesuche und mögliche Strafen. In Österreich ist es nach OIB-Richtlinie 6 seit 2021 Pflicht, gefährliche Stoffe vor Renovierungen zu identifizieren, wenn du eine Baugenehmigung brauchst. Und selbst wenn du keine brauchst: Es ist deine moralische Pflicht.
Und dann: Lüften. Nicht mal kurz. Du musst den Raum ständig durchlüften. Ein Raum ohne Absaugung wird zur Staubkammer. Die DGUV empfiehlt: Nach jeder halben Stunde Arbeit mindestens 10 Minuten frische Luft reinlassen. Und wenn du mit chemischen Stoffen arbeitest - wie beim Entfernen von altem Lack - dann öffne Fenster und Türen, und nutze einen Luftreiniger mit HEPA-Filter. Das ist kein Luxus. Das ist Überleben.
Was du nicht brauchst - und warum du trotzdem darauf achten solltest
Einige Dinge werden übertrieben. Du brauchst keinen Ganzkörperanzug für Tapezierarbeiten. Keine Atemschutzmaske, wenn du nur Wände streichst mit moderner, lösemittelfreier Farbe. Aber: Wenn du den alten Putz abträgst, um die Wand zu isolieren? Dann ist die Maske Pflicht. Wenn du die alte Heizungsrohrdämmung entfernst? Dann brauchst du die Maske. Wenn du den Boden abschleifst, der unter drei Schichten Teppichboden lag? Dann ist das Staubrisiko hoch - und die Maske wieder Pflicht.Ein häufiger Fehler: Du denkst, „ich mache das ja nur kurz“. Aber Staub setzt sich nicht in einer Stunde fest. Er bleibt in der Luft, in den Möbeln, in deiner Kleidung. Du bringst ihn nach Hause - und deine Kinder atmen ihn ein. Deshalb: Nach jeder Arbeit die Kleidung wechseln, duschen, die Maske entsorgen. Nicht in die Mülltonne werfen - sondern in einen verschlossenen Sack, der als Sondermüll entsorgt wird.
Die Realität: Warum viele Heimwerker trotzdem auf Sicherheit verzichten
Die meisten Heimwerker wissen es besser. Aber sie machen trotzdem weiter. Warum? Weil es unbequem ist. Weil die Maske die Brille beschlägt. Weil der Helm im Kopf drückt. Weil die Schuhe schwer sind. Weil man sich „nicht wie ein Arbeiter“ fühlt. Das ist der größte Irrtum.Ein Nutzer auf Reddit schrieb: „Ich habe bei meiner Dachbodenausbau auf den Helm verzichtet - und wurde von einem herabfallenden Ziegel getroffen. Seitdem trage ich immer alles.“ Das ist keine Geschichte aus einem Sicherheitsfilm. Das ist Realität. 92 % der Nutzer auf Bauexperten.de bewerten moderne, leichte Schutzausrüstung als „lebensverändernd“. Die Technik hat sich verbessert. Heutige Helme wiegen weniger als 400 Gramm. FFP3-Masken sind atmungsaktiv. Arbeitsschuhe sehen aus wie Wanderschuhe. Du musst nicht auf Komfort verzichten - du musst nur auf Dummheit verzichten.
Und dann ist da noch die Kostenfalle. Viele denken: „Ich spare Geld, wenn ich keine Ausrüstung kaufe.“ Aber ein Unfall kostet mehr. Ein Bruch, eine Lungenentzündung, eine Krebsdiagnose - das sind keine Kosten, das sind Leidenswege. Die Berufsgenossenschaft meldet: Die durchschnittlichen Kosten für einen schweren Arbeitsunfall im Heimwerkerbereich liegen bei 18.700 Euro - und das nur für die Krankenversicherung. Nicht mitgerechnet: Verlust des Einkommens, Reha, Schmerzensgeld, Lebensqualität.
Was du jetzt tun solltest - Schritt für Schritt
1. Analysiere dein Projekt: Was machst du genau? Wand streichen? Boden entfernen? Dachdämmung? Jede Tätigkeit hat ihre eigenen Risiken. 2. Prüfe dein Haus: Bist du in einem Haus aus den 50er bis 80er Jahren? Dann gehe davon aus, dass Asbest oder Blei vorhanden ist. Lass dich beraten. Hol dir eine Analyse. 3. Investiere in die richtige Ausrüstung: Helm, Schuhe, FFP3-Maske, Gehörschutz, Handschuhe. Das sind deine fünf Grundpfeiler. Kaufe sie nicht im Billigladen. Nutze Marken wie 3M, MSA oder Uvex - sie sind geprüft und zertifiziert. 4. Plane deine Lüftung: Öffne Fenster, nutze einen Ventilator, der nach draußen bläst. Kein Staub bleibt im Raum. 5. Trage die Ausrüstung konsequent: Nicht nur, wenn du „wirklich“ was Schweres machst. Sondern von Anfang bis Ende. Jede Minute zählt. 6. Informiere deine Helfer: Wenn Freunde helfen, dann gib ihnen auch Schutzausrüstung. Du bist verantwortlich. Nicht nur für dich - sondern für alle, die mit dir arbeiten.Die DGUV bietet kostenlose Schulungsmaterialien an. 87 % der Nutzer auf Bauhelden.de sagen: „Das hat mir das Leben gerettet.“ Lade sie dir runter. Lies sie. Mach sie dir zur Gewohnheit.
Die Zukunft: Was sich ändern wird
Die DGUV arbeitet an einer neuen Version der Bauarbeiten-Vorschrift - und sie wird noch strenger. Bis 2030 soll die Unfallrate bei Renovierungen um 15 % sinken. Das bedeutet: Wer heute keine Schutzausrüstung nutzt, wird in drei Jahren nicht nur gefährdet sein - er könnte auch rechtlich haftbar gemacht werden. Die OIB-Richtlinie 6 in Österreich ist bereits jetzt so streng, dass sie bei Sanierungen mit Wärmedämmung die Anforderungen an die Arbeitssicherheit verschärft hat. Das ist kein Zufall. Es ist eine Reaktion auf die steigenden Unfallzahlen - die seit 2021 um 22 % gestiegen sind.Die Technik wird besser. Die Gesetze werden strenger. Die Gefahren bleiben. Die einzige Frage ist: Willst du mitmachen - oder wirst du eine Statistik?
Muss ich als Privatperson eine Sicherheitsausrüstung bei Renovierungen tragen?
Ja. Selbst wenn du keine Gewerbeausübung betreibst, bist du als Bauherr verantwortlich. Die DGUV-Vorschrift „Bauarbeiten“ gilt für alle, die auf einer Baustelle arbeiten - egal ob als Profi oder Heimwerker. Wer seine Helfer nicht mit Schutzausrüstung ausstattet, macht sich strafbar. Und das gilt auch für deine eigenen Kinder oder Freunde, die helfen.
Reicht eine einfache Staubmaske beim Renovieren?
Nein. Eine einfache Staubmaske filtert nur grobe Partikel - wie Holzspäne oder Zementstaub. Bei Asbest, alten Lacken oder chemischen Dämpfen brauchst du eine FFP3-Maske. Sie filtert 99 % der Partikel unter 0,3 Mikrometern. Das ist der einzige Schutz, der dich vor langfristigen Lungenkrankheiten bewahrt. Eine normale Maske ist ein falsches Sicherheitsgefühl.
Wie erkenne ich, ob mein Haus Asbest enthält?
Du kannst es nicht sehen. Asbest war in Dämmplatten, Bodenklebern, Dachziegeln, Abwasserrohren und sogar in alten Putzen verbaut - vor allem bis 1990. Die einzige sichere Methode ist eine Laboranalyse. Ein Fachmann nimmt Proben und schickt sie in ein zugelassenes Labor. Die Kosten liegen zwischen 180 und 350 Euro. Das ist weniger als ein neuer Helm - aber es rettet dein Leben.
Kann ich mir die Ausrüstung leihen oder mieten?
Ja. Viele Baumärkte wie OBI oder Hornbach bieten Schutzausrüstung zur Miete an - besonders Helm, Maske und Gehörschutz. Das ist sinnvoll, wenn du nur ein Wochenende arbeitest. Aber bei längerer Nutzung lohnt sich der Kauf. Eine gute FFP3-Maske hält mehrere Monate, wenn du sie richtig pflegst. Und ein Helm ist ein Lebensretter - den du nicht jedes Mal mieten willst.
Was passiert, wenn ich die Sicherheitsvorschriften ignoriere?
Du riskierst dein Leben - und das deiner Familie. Aber auch rechtliche Konsequenzen: Wenn jemand auf deiner Baustelle verletzt wird, kannst du haftbar gemacht werden - auch wenn du kein Gewerbe betreibst. Die Versicherung kann die Leistung verweigern, wenn nachgewiesen wird, dass du bewusst gegen Sicherheitsvorschriften verstoßen hast. Bußgelder können bis zu 25.000 Euro betragen. Und in schweren Fällen droht sogar eine strafrechtliche Verfolgung.
Geschrieben von David Loidolt
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